Eine Führung durch eine Baustelle hat etwas besonderes an sich. Es ist ein bisschen gefährlich, ein bisschen aufregend und hat ein bisschen was verbotenes. Schließlich darf man normalerweise nicht auf Baustellen herumspazieren. Deshalb muss man sich auf der des neu entstehenden Berliner Schlosses auch zunächst im Bauwagen – der den Eingang bildet – in eine Besucherliste eintragen. Vermutlich gibt man hier alle möglichen Rechte und Schadensansprüche ab, falls einem ein Ziegelstein auf den Kopf fällt. Anschließend geht es weiter in den nächsten Bauwagen. Dort ziehen wir uns Schutzsöckchen über und entscheiden uns zwischen weiß eingestaubten Arbeitsschuhen oder gelb leuchtenden Gummistiefeln. Damit uns auch die Bauarbeiter von weiten erkennen, gibt es knallige Besucher-Warnwesten und für den Kopf einen blauen Bauhelm. So ausgerüstet versammelt sich die gesamte Besuchergruppe auf der Plattform vor dem Bauwagen und lauscht den einführenden Worten der Baubesichtigung, während im Hintergrund langsam die Sonne untergeht und den grauen Betonrohbau in ein warmes rotgoldenes Licht eintaucht.

Wir stehen auf 100.000 m² bebauter Fläche, wovon 41.000m² als Hauptnutzfläche eingeplant sind. Das entspricht einem Luxusverhältnis von 2:1 – und ist damit ganz schön luxuriös, so wie es sich für ein Schloss gehört. Doch in das Berliner Schloss zieht nicht der Adel ein, es sind außereuropäische Kunstschätze, die hier ein Zuhause finden werden. Die Humboldt-Universität erhält ebenfalls 1.000m², um sich zu vergrößern, und weitere 10.000m² werden für Veranstaltungen genutzt. Das Berliner Schloss wird ein Ort für Kongresse und Restaurants. Schon jetzt kann man den rohen Betonbau für Events mieten – wie auch immer diese dann in der kühleren Jahreszeit beheizt werden sollen. Bisher ist mit dem Innenausbau noch nicht begonnen worden, aber immerhin witterungsfest ist das Berliner Schloss.

dietmar sittek, CC BY-SA 2.0
dietmar sittek, CC BY-SA 2.0

Drei Jahre später als geplant hat der Bau des Berliner Schlosses begonnen. Auch, wenn Verzögerungen nicht gern gesehen werden, könnte das der Grund sein, warum das Schloss bislang im Bauzeit- und Kostenplan geblieben ist. Die Planer hatten eben drei Jahre länger Zeit, sich Gedanken zu machen. Und gute Gedanken sind für Berliner Bauwerke wichtig, denn: Man stößt in der Hauptstadt schnell auf Grundwasser und dann wird es schwierig. Beim Schlossbau hat man das von Anfang an berücksichtigt und deshalb kein Tiefgeschoss gebaut, nur einen halben Meter geht es runter in den Keller des Schlosses. Die Wände aus Ziegelsteinen sind hingegen 60cm breit, um den Sandstein – der komplett aus Spenden finanziert und derselbe Stein ist, der auch schon für das Schloss des Preußischen Königs verwendet wurde – fest zu verankern. So dick ist heute keine Wand mehr – auch, wenn man sich das manchmal wünschen möchte, wenn der Nachbar eine Party feiert. Ab Juni 2018, wenn das Schloss fertiggestellt ist, kann man dann immerhin der Lautstärke der eigenen vier dünnen Wände entkommen und sich derweil wie ein Schlossherr fühlen. Denn: Das Berliner Schloss soll ein Schloss für die Bürger der Stadt werden, heißt es. Tag und Nacht offen und begehbar – und schon jetzt beeindruckt es mit seiner großräumigen, weiten und offenen Bauweise. Überall wird der Kontrast zwischen alt und neu erkennbar sein. Die drei Millionen Besucher, die pro Jahr erwartet werden, sollen sehen, wie sich Moderne und Zeitgeschichte miteinander vereinen. Und für die soll auch der Neptunbrunnen frisch renoviert und wieder an seinen einstigen Platz zurückgebracht werden – auf den Schlossplatz.

Doch bis es soweit ist, waten wir durch zwei Zentimeter tiefe Pfützen über den Innenhof und können nur unsere Fantasie bemühen, um die prunkvolle Bauweise zumindest vor dem inneren Auge zu sehen. Fantasie – das bringen offenbar auch die Bauarbeiter mit, die sich anscheinend gern auf dem Sichtbeton mit Maßangaben und Malereien verewigen. Deshalb ist momentan noch alles, was später an grauem Beton sichtbar bleibt, mit schwarzen Plastikhüllen und Spanplatten verkleidet, damit es auch bei der Eröffnung noch wie neu aussieht.

Über das Treppenhaus geht es hoch in die offene Räume des Schlosses. Eine Mulitfunktionshalle wird es geben, die wie ein Schwimmbad angelegt ist. Noch wirkt sie kahl und düster, ebenso wie der künftige Opernraum, der bei der Eröffnung mit Bühnen und Rängen versehen sein wird und momentan noch nicht mehr bietet als graue Wände. An der Stelle, an der einst die Wohnung des Soldatenkönigs war, wird künftig ein Bankett zu finden sein. Dafür werden auch die damals großzügig verbauten Fenster wieder hergestellt. Wo früher der König stand und den Soldaten beim Marsch auf dem Schlossplatz zugesehen hat, werden Dolmetscher sitzen und vielleicht auf das neu entstehende Einheitsdenkmal blicken. Eine Wippe soll es werden, auf der 50 Leute stehen und die Macht des Volkes demonstrieren können.

600 Mio Euro kostet der Wiederaufbau des Berliner Schlosses, die überwiegend der Bund zahlt. Etwa 80 Mio. Euro tragen die Bürger Berlins – von dem Geld wird die Fassade des Schlosses bezahlt. Auf Fotos bekommen wir gezeigt, wie es werden soll, das neue Schloss. Bislang kann man sich nur an Stahlträgern und dem rundum bezaubernden Ausblick erfreuen. Beim Blick aus den fensterlosen Fenstern schaut man auf die alte Nationalgalerie, den Berliner Dom und das einstige Staatsratsgebäude, in dem heute die European School of Management and Technology Zuhause ist.

Es wird noch eine Weile dauern, bis man hier nicht mehr eine Baustelle besichtigt. Aber wer jetzt schon als Besucher vorbeikommt, wird an eines fest glauben: Solange hier die Bauarbeiter auch in Zukunft um 19 Uhr noch fleißig unterwegs sind, wird diese Baustelle sicher rechtzeitig fertig und dann kann das Schloss in vollem Glanz und neuer Pracht erstrahlen und Berlin um eine weitere Attraktivität reicher sein.