Es hat wenig zu tun mit Meenzer oder Kölschem Karneval, was sich zur gleichen Jahreszeit und kalendarisch an fast denselben Tagen im schwäbisch-alemannischen Sprachraum, also in Südwestdeutschland sowie in Teilen Nordost- und Zentralschweiz, abspielt. Der Trubel dort heißt Fasnet, Fasnacht oder Fasent. Er orientiert sich am jahrhunderte alten „katholischen“ Kalender, aber er ist geprägt von heidnischem Brauchtum – bis hin zu den Masken, er ist wild und vermummt. Wer sich darein begibt, mag manchmal glauben mögen, er werde unentrinnbar in einen Strudel gezogen. Um es auszuprobieren, ist zur Fasnachtzeit eine kleine Urlaubsreise ins schweizerische Luzern empfehlenswert.

In Larven und Masken aus Holz
Es ist keine platte Tourismuswerbung, wenn gesagt wird, die Luzerner Fasnacht sei in ihrer geschichtlichen Entwicklung, in Eigenart und Vielgestaltigkeit, „im urwüchsigen, kraftvollen Ausbruch der kakaphonischen Rhythmen, im tagelangen mitreissenden und fast ekstatischem Tanz der Jugend auf dem Rathausplatz“ unter all den traditionellen Fasnachtsbräuchen der Mittelschweiz einmalig. Das zieht natürlich von Jahr zu Jahr mehr Besucher, mehr Touristen an. Die Einheimischen sind stolz darauf, haben zugleich aber auch ihre Befürchtungen: dass die durch die Stadt tobenden prachtvolle, farbenfrohen Gestalten eines Tages im Blitzlichtgewitter fotografierender Touristentrauben untergehen könnten. Denn sie sind schon eine Attraktion mit ihren Larven oder Schemmen (Masken), die in der schwäbisch-alemannischen Fasnacht durchweg aus Holz sind – manchmal allerdings auch aus Stoff, Papier, Ton, Blech oder Draht. Die Kostümträger wechseln ihre Verkleidung nicht von Jahr zu Jahr, sondern bleiben ihr immer treu. In manchen Regionen ist es sogar üblich, sie über Generationen hinweg zu vererben.
Der Bruder Fritschi war ursprünglich aus Stroh
Die Luzerner Fasnacht also hat ihren Anfang in der heidnischen Götterverehrung. Mit Lärm und Fratzen wurden die Wintergeister vertrieben. Gleichzeitig wollte man den Gott des Frühlings und der Fruchtbarkeit feiern – und beschwören. Große angezündete Feuer sollten zugleich der Sonne neue Kraft geben. Und dies alles ist die spektakulär laute Kulisse für eine Gestalt, deren Ursprung in Luzern im fernen Dunkel liegt. Gemeint ist der „Bruder Fritschi“, der zur Hauptfigur der Luzerner Fasnacht geworden ist – und keiner weiß warum. Jedenfalls wurde er erstmals in einer Stadtchronik des Jahres 1500 erwähnt. Der Chronist meinte damit eine Strohpuppe, die jeweils am „schmutzigen Donnerstag“ (das ist der Donnerstag vor Karneval) in die Stadt geführt wurde, umgeben von Harnischträgern und Musikanten. Ein Maskottchen offenbar, das zum echten verkleideten Mann wurde, dem man schließlich auch eine Frau, Kind und Kindsmagd beigesellte. Fritschi hat seinen eigenen Umzug und seit dem Jahr 1918 auf dem Kapellplatz auch seinen eigenen Fritschi-Brunnen.