Wer den Rat der Tourismus-Werbung nicht beachtet, kann nur ein Banker sein. Für alle anderen gilt: „Schneller als schlendernd sollte man sich in Lugano nicht bewegen“. Denn nur so lassen sich beispielsweise die verschachtelte Altstadt, die Parks, die Seepromenade, das gesamte mediterrane Ambiente genießen. Unter Palmen, Olivenbäumen, zwischen Kamelien und Magnolien. Die einen lädt das Zentrum des Schweizer Kantons Tessin zum Dolcefarniente ein – man spricht hier Italienisch – ,die anderen zu geschäftigem Treiben. Doch beide Spezies treffen sich, wann es immer geht, auf einer Piazza im Schatten der Banken an kleinen Tischen. Sie essen, plaudern, genießen.

Luganer See Filippo Diotalevi, flickr.com, CC BY 2.0
Luganer See
Filippo Diotalevi, flickr.com, CC BY 2.0

Kunst und Kommerz nahe beieinander

Lugano am Nordufer des gleichnamigen Sees hat heute, nachdem zwischen 2004 und 2005 zahlreiche Dörfer rundum eingemeindet worden waren, etwa 59.000 Einwohner. In den vergangenen 20 Jahren hat sich die Stadt rasant entwickelt. Sie ist heute nach Zürich und Genf der drittgrößte Finanzplatz der Schweiz, flächenmäßig die achtgrößte Stadt in der Eidgenossenschaft, liegt an neunter Stelle mit Blick auf die Zahl der Einwohner und an zehnter hinsichtlich der Zahl der vorhandenen Arbeitsplätze. Die ökonomischen Daten sind das eine. Aber Lugano ist auch und nicht zuletzt eine Universitäts-, Kongress- und Kulturstadt.

Im Museo Cantonale d’Arte beispielsweise sind Gemälde von Klee, Jawlensky, Renoir und Degas ausgestellt, und oberhalb der Stadt, in Montagnola, lädt das Herman-Hesse-Museum ein, teilzuhaben an Leben und Werk des deutschen Dichters, der hier die letzten 43 Jahre seines Lebens verbracht hat. Lugano, ja das ganze Tessin haben sich in den vergangenen 50 Jahren last but not least zu einer bedeutenden Architektur-Region entwickelt. Die bekanntesten Vertreter dieser „Tessiner Schule“ sind Luigi Snozzi und Mario Botta. In der Stadt finden sich hervorragende Beispiele von architektonischer Schönheit, schlichter Eleganz.

Texas-Poker im Wildwest-Saloon

Wer schlendernd die Stille sucht, der ist im Parco Civico Ciani bestens aufgehoben. Mit seinen rund 63.000 Quadratmetern ist der am Ufer des Luganer Sees gelegene Park die grüne Lunge der Stadt. Die Spazierwege dort sind von jahrhundertealten Bäumen gesäumt – das ist der rechte Kontrast zum regen Stadtbetrieb. In Lugano sind die Kontrastprogramme insgesamt an der Tagesordnung: In den späten Abendstunden verwandelt sich die Seepromenade in eine südländische Flaniermeile. Dann scheint die ganze Stadt auf den Beinen zu sein. Und viele suchen dann auch das große Glück. Denn an dieser Strandpromenade liegt das Casino di Lugano – mit dem abwechslungsreichsten Angebot, das man in Schweizer Casinos finden kann. Beispielsweise: 320 Slotmaschinen reizen dazu, hier sein Geld zu lassen (oder manchmal auch zu gewinnen). Im Wildwest-Saloon wird an sechs Tischen sogar noch das waschechte Texas Poker gespielt.

Refugium für wohlhabende Senioren Shane Gorski, flickr.com, CC BY-ND 2.0
Refugium für wohlhabende Senioren
Shane Gorski, flickr.com, CC BY-ND 2.0

Ein Seniorenheim für wohlhabende Menschen

Lugano und seine Kontrastprogramme: Die drittgrößte Bankenstadt der Schweiz ist zugleich auch ein Seniorenheim für wohlhabende Menschen. Hier siedelt sich gern an, wer Geld hat, Stille sucht und doch zugleich auf (klein)städtisches Treiben nicht verzichten will. Vom ehemaligen Rennfahrer Rudolf Caracciola nach dem Zweiten Weltkrieg bis zu dem Schauspielerpaar Nadja Tilller und Walter Giller, das bis vor wenigen Jahren im Stadtteil Cassarate eine Senioren-Wohnung besaß. Kein Wunder, dass man in Lugano an jeder Straßenecke zwei Apotheken findet.